Georg Kreisler

Zwei alte Tanten

Wenn ich nachts nicht schlafen kann
Schau' ich gern beim Fenster raus
Und ich sehe mir die Straße an
Oder vis-à-vis das Haus
Das ist das Achterhaus
Und es ist wirklich sonderbar!
Ich wollt' es schon einmal beschreiben
Aber dann ließ ich es bleiben
Denn vielleicht war's gar nicht wahr

Aus einem Fenster kommt
Jede Nacht ein fahler Schein
Und wenn man sich etwas streckt
Sieht man in den Raum hinein
Und was da drin geschieht
Ach, wer hätte das geglaubt
– Ist das real?
– Ist das normal?
– Ist das erlaubt?

Zwei alte Tanten tanzen Tango
Mitten in der Nacht
Warum auch nicht?
Sie hätten sonst die Nacht
Nur schlaflos zugebracht
Wie diese Engeln
Sich nur schlängeln
Und schmiegen Bein an Bein –
Jeder Schritt muss
Bei dem Rhythmus
Ein Vergnügen sein!

Und ringsumher, da ist es finst-
Er, schwach nur grinst
Das Morgenrot
Da mit Migränen
Gähnen
Tränen
Stöhnend man erwacht

In den Spelunken
Wird getrunken
Und der Bäcker backt das Brot –
Zwei alte Tanten tanzen Tango
Mitten in der Nacht

In der Bundeshauptstadt Bonn am Rhein
Fürchtet sich der Kommunist
Sollt' man etwas weiter östlich sein
Fürcht' sich nur, wer keiner ist
Selbst in Amerika
Da wär i ka
Sekunde ohne Zorn
I hätt a tolle Wut
Auf Hollywood
Mein Englisch
Ist bemänglisch
Und i wär schon längst a
Gangster
Word'n

Ich bin imstand und hatsch amal
Zum Tadsch Mahal
Wenn ich es will
Krieg i Malaria
Dann fahr i ja
Zurück
Und schau ins Achterhaus
Dort macht man aus
Die Lichter und ist still
Man konzentriert sich ganz auf Tango
Und auf Glück . . .

Zwei alte Tanten tanzen Tango
Mitten in der Nacht
Die suchen sobald
Nicht nach Kobalt
Auch wenn der Globus kracht
Die bringt kein greller Pfiff
Nach Tel Aviv
Nach Kairo, nach Korinth
Die ruft kein Muezzin
Zum Suez hin
Die bleiben, wo sie sind!

Und Hunde heulen
Wunde Eulen
Legen Eier in den Turm
Man hat Affären
Mit Millionären
Meist auf einer Yacht
Doch spuckt den Ozean
Ein Lotse an
Dann gibt es einen Sturm –
Zwei alte Tanten tanzen Tango
Mitten in der Nacht

Zwei alte Tanten tanzen Tango
Mitten in der Nacht
Sie sind vereint
Und wie mir scheint
Die eine weint
Die andre lacht
Den Strassenfeger mit Geselle
Plagt die Szenerie –
Jedoch ein Neger mit Gazelle
Zagt im Regen nie

Ja, der Neandertaler
Wandert aller-
Dings noch ohne Ruh'
Und fragt die Leut'
Wie weit sie's heut'
Seit seiner Zeit gebracht
Man gibt dem Araber
Sein eignes Dromedar, aber
Wozu?
Zwei alte Tanten tanzen Tango
Mitten in der Nacht
Mitten in der
Mitten in der
Mitten in der
Mitten in der Nacht . . .