Christof Stählin

Die Ballade von Villon und seiner dicken Margot

Da regen sich die Menschen auf, weil ich
Mit einem Mädchen geh, das sich vom Strich
Ernährt und meine Wenigkeit dazu!
Ich aber hab die Kleine doch so schrecklich gern!
Ich bürste ihr die Kleider, putz ihr auch die Schuh
Damit die Offiziers und Kammerherrn
Sich wie im Himmel fühlen
In dem Kabuff, in dem wir beide wohnen

Ich bleibe immer vornehm und diskret
Und warte, bis die Kundschaft wieder geht
Und zähle schnell die Taler nach
Und wenn es weniger sind
Als der geehrte Herr versprach –
Dann gibt es leider etwas Wind
In dem Kabuff, in dem wir beide wohnen

Mitunter nage ich auch an dem Hungertuch
Bei meinem schwarzen Schwan, wenn der Besuch
Ins Stocken kam –
Mein Gott, die schöne Huld
Hört auf und macht den Menschen weniger zahm –
Der Teufel hole die Geduld!
Und so läuft mir die Galle eben über
In dem Kabuff, in dem wir beide wohnen

Dann hat mich die Margot so lieb wie nie
Und schnurrt und putzt sich wie ein Katzenvieh:
„Sei wieder nett zu mir und gut!“
Und ich bin auch kein hölzernes Gestell
Das gibt uns beiden einen frischen Mut
Bald ist es wieder flott, das Karussell
Und dreht die kunterbuntesten Figuren
In dem Kabuff, in dem wir beide wohnen

Sehnt ihr in dieser tristen Zeit euch sterbenskrank
Nach einer warmen, weichen Ruhebank
Dann, meine Herren, seid ihr uns willkommen
In dem Kabuff, in dem wir beide wohnen